Gentests zum Abnehmen?

Da wollte ich mir selbst ein Bild machen, und ich kann euch sagen, dass ist gar nicht so leicht. Einige Artikel finden sich schon in verschiedenen Medien im Internet dazu, und natürlich seeeehr viel von Seiten der Anbieter, sprich der Verkäufer. Jetzt kann man sich schon denken, was da rauskommt – von Seiten der Anbieter wird sehr positiv über die Genanalysen und die daraus folgenden „personalisierten“ Ernährungstipps gesprochen. Von anderen Seiten kommen durchaus vorsichtige bis kritische Stimmen…

Hier habe ich mal eine Mini Auswahl an Textausschnitten, von verschiedenen Seiten, was man eben so als durchaus kritischer Konsument auf die Schnelle so googlen kann mit den Stichworten „Genanalysen und Gewichtsreduktion“:

Quelle: https://www.srf.ch/news/schweiz/fragwuerdige-laboranalysen-abnehmen-dank-gentests

„……. Genanalysen überführen Verbrecher und sagen Erbkrankheiten voraus. Aber können sie uns auch helfen, den passenden Sport oder den richtigen Partner zu finden oder – eben – abzunehmen?

«Es steht nirgends das Stichwort ‹Übergewicht› in unseren Genen», sagt Helena Jenzer, Forschungsleiterin Ernährung und Diätetik an der Berner Fachhochschule, die sich auf Genanalysen spezialisiert hat. «Wir kennen über 60 Gene, die unseren Stoffwechsel beeinflussen und damit für ein Übergewicht verantwortlich sein können.» …..“

Quelle: https://www.apotheken-umschau.de/Abnehmen/Helfen-Gen-Analysen-beim-Abnehmen-551987.html

„……. Die Erforschung individueller genetischer Unterschiede bei der Verarbeitung von Ernährung, die Nutrigenomik, läuft seit der Entschlüsselung des Humangenoms 2003 und entdeckt ständig neue Details. “Wir kennen mittlerweile allein etwa 100 Gene, für die es einen Zusammenhang mit dem Übergewicht gibt”, sagt Hannelore Daniel, Professorin für Ernährungsphysiologie an der Technischen Universität München. Das ist immer noch wenig angesichts von etwa 22 000 Genen im menschlichen Erbgut insgesamt und vermutlich mehr als 11 000, die laut Daniel etwas mit der Ernährung zu tun haben.

Hinzu kommt: “Die Effekte der bislang bekannten Dickmach-Gene sind sehr, sehr klein.” Andere Faktoren besitzen einen weitaus größeren Einfluss, wie etwa die Kalorienbilanz. Auch wenn jemand besonders viele riskante Gen-Varianten trage – die meisten Menschen haben etwa 20 –, sei die mögliche Auswirkung auf Gesundheit und Lebenserwartung immer noch sehr gering, sagt Daniel. ……“

Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000092707478/genanalysen-fuer-die-ernaehrung-ein-zukunftstrend

„……. Der Einfluss der Gene darauf, wie der Mensch Nahrungsmittel verwertet, ist schon länger bekannt. Heute werden Tests und Ernährungspläne auf Basis genetischer Analysen als “Personalisierte Ernährung” betitelt, diese soll eine gesündere Lebensweise fördern. Die erhöhte Nachfrage nach genetischen Analysen wirft viele Fragen zur ethischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Dimension von “nicht-medizinischen” Gentests auf. Eine breite Diskussion über Lifestyle-Genanalysen sollte dazu führen, dass die Anbieter der Tests auch umfassendere Informationen zur Bedeutung der Ergebnisse für Konsumenten zur Verfügung stellen. Eine gute naturwissenschaftliche Grundbildung und verbesserte Bildung im Bereich der Genetik werden in Zukunft unerlässlich werden, um als Konsument oder Konsumentin den Wert solcher Tests adäquat einschätzen zu können …………“

Quelle: https://novogenia.com/einfluss-der-gene-auf-das-koerpergewicht/ (Anbieter!)

„Aus mehreren verschiedenen Vererbungsstudien zeigte sich, dass die genetische Komponente von Übergewicht oder Fettmasse zwischen 20 % und 90 % zu sein scheint. Allerdings muss man hier anmerken, dass durch derartige Studien zwar der Effekt von allen Genen gemessen werden kann, allerdings nicht die Gene, die dafür verantwortlich sind identifiziert werden. Die Gene, die wir analysieren, sind sicherlich nur ein Teil dieser 20 % bis 90 %.“

„In einer Metaanalyse von 97 Studien und 44,833 Teilnehmern wurde gezeigt, dass die schlechte Genvariante hier eine Variation im BMI von 0,24 bzw. ca. 700 g Körpergewicht erklärt. (Kurokawa et al 2008.“

„Personen mit dem AA-Genotyp zeigten einen um 1.04 höheren BMI als Personen mit dem TT Genotyp, also 1.5kg mehr.“

Anmerkung: Diese Analyse verwendet 8 „Body weight genes“.

Hm, was macht man jetzt damit? Die Aussagen stehen sich mehr oder weniger gegenüber, die Möglichkeiten sich testen zu lassen sind vielfältig und werden sogar von Versicherungen beworben im Rahmen von Gesundheitsangeboten und Lifestyle Interventionen. Und für mehr oder weniger jedes Budget ist etwas zu haben… bis zu mehreren Hundert Euro. Daher habe ich auch mal in ein paar aktuelle Studien hineingeschaut und versucht die Key Facts für mich – und euch – herauszuziehen… Dies ist definitiv keine vollständige Darstellung oder grandiose wissenschaftliche Abhandlung! Ich muss auch zugeben, dass es mir sehr schwer gefallen ist etwas aus den Arbeiten herauszuziehen, denn solche Studien zu lesen ist ganz schön verwirrend und ich möchte gar nicht ausschließen, dass ich da etwas fehlerhaft übersetzt und interpretiert habe…

Methodische Herausforderungen solcher Studien:

  • Es gibt noch kein komplettes Bild von genetischen Einflüssen auf polygenetische Erkrankungen wie Diabetes mellitus TypII, Adipositas, Herz-Kreislauferkrankungen…
  • Es gibt noch keine konkreten Langzeitstudien, die genetische, molekulare, klinische, phenotypische und Ernährungsdaten integrieren.
  • Die Nahrungsaufnahme/Ernährung ist nicht gut charakterisiert und in den Replikationsphasen fehlen die Ergebnisse.
  • Viele Gene sind bekannt, aber nur wenige davon haben eine direkte Verbindung zu metabolischen Konsequenzen.

(Guasch-Ferré et al. 2018)

Weitere potentielle Schwäche solcher Studien:

  • Ernährungsfaktoren und genetische Faktoren beeinflussen das Körpergewicht nicht unabhängig, sondern es finden Wechselwirkungen statt. Soweit ist man sich einig. Wenn man nun solche Zusammenhänge statistisch untersuchen will, muss man komplexe biologische Abläufe/Vorgänge vereinfachen. Daraus können sich inadäquate Ergebnisse ableiten.
  • Geringe Fallzahlen, unzureichende Studiendesigns, Variablen die hineinspielen aber nicht sollen (Störfaktoren) oder umgekehrte Kausalitäten schwächen die Ergebnisse ab. Aus diesem Grund ist die Aussagekraft beschränkt und die Reproduzierbarkeit (ein wichtiges Qualitätskriterium) oft nicht gegeben.

(Qui 2014)

Aber zunächst noch eine Begriffsdefinition:

Nutritional Genomics???

Nutritional genomics ist eine Erweiterung der sogenannten „precision medicine“. Ziel ist es, durch eine gezielte Ernährungstherapie Krankheiten vorzubeugen, zu behandeln und zu managen. Die Ernährungstherapie wird dabei aus der Genanalyse abgeleitet. Dabei wird miteinbezogen:

1. Wie genetische Variationen die Reaktion des Körpers auf bestimmte Nährstoffe beeinflussen (=Nutrigenetik)

2. Wie bestimmte Nährstoffe die Genfunktion beeinflussen (=Nutrigenomik)

Bekannte Beispiele für die klinische Anwendung und Bedeutung sind seltene Stoffwechselerkrankungen wie Phenylketonurie, Galaktosämie oder die Maple Sirup Disease. Das sind allerdings sehr schwere “monogenetische” Defekte. Bei den Testungen auf Risiko für DMII oder Kardiovaskuläre Erkrankungen handelt es sich eben um sogenannte “polygenetische” Erkrankungen. (Guasch-Ferré et al. 2018)

Bei diesen polygenetischen Erkrankungen bestimmen nicht nur 1 sondern 60-100! verschiedene genetische Loki das Risiko, und jeder dieser Loki trägt einen kleinen Effekt zur Krankheit die untersucht werden soll bei. Nicht zu vergessen – die Pathologie wird auch von Umweltfaktoren beeinflusst, vom Lifestyle. (Guasch-Ferré et al. 2018)

Nutrigenomics ist also eine Wissenschaft, welche die Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Genetik und Gesundheit erforscht. Sogenannte “single nucleotide polymorphisms (SNPs) die auf Genen wie FTO, APOA2, PPARG etc. liegen können beeinflussen, inwieweit körperliche Aktivität und Ernährungsgewohnheiten eine Wirkung auf das Gewichtsmanagement haben, andere wieder ob die Person möglicherweise eher mit dem Fokus Ausdauer- oder Krafttraining erfolgreich sein wird. (Horne et al. 2019) Bis jetzt haben aber nur wenige Studien den konkreten Fokus darauf gelegt herauszufinden, welche Art der Ernährung sich nun am Günstigsten auf die Träger dieser Gen Variante auswirkt. (Przeliorz-Pyszczek und Regulska-Ilow 2017)

In einem Zeitschriftenaufsatz schreiben die AutorInnen: Diese SNPs (ich nenne es mal fehlerhafte Genvarianten/Ausprägungen) können bis jetzt (zum Zeitpunkt des Zeitschriftenaufsatzes) nur eine kleine Menge der Probleme erklären und ihre Vorhersagekraft bezüglich der gesundheitlichen Entwicklung ist gering. Offensichtlich ist das Rundherum extrem wichtig, also wie die anderen genetischen Faktoren diese fehlerhaften SNPs kompensieren. Daher ist es laut den AutorInnen auch so schwierig eine Aussage zu treffen. Eine Gruppe von SNPs mag für die eine Subpopulation bedeutend sein, für die andere eher nicht. Dies kontrastiert auch laut den Autoren mit der Blüte der genetischen Beratungsinstitute die den Konsumenten Auswertungen und dazu passende Empfehlungen geben. (Kussmann et al. 2010)

Einige Gene, die bei den meisten gängigen Tests untersucht werden und die (bei „schlechter Ausprägung/Defekt) einen Einfluss auf den BMI haben können:

FABP2: führt zu vermehrter Fettaufnahme und ist assoziiert mit Adipositas (Drabsch und Holzapfel 2019). In einer 12 monatigen Gewichtsreduktionsstudie ergab sich kein Unterschied im Gewichtsverlust bei den 2 Diätvarianten “Low Carb” und “Low Fat” hinsichtlich der unterschiedlichen Genotypen. Diese waren also nicht hilfreich dabei herauszufinden, welche Diät für welchen Genotyp besser wäre. (Gardner et al. 2018)

PPARG: ebenfalls ein Komplex der mit der Fettverwertung zu tun hat, + 1,9 BMI Punkte lt. einem Anbieter. Man weiß aber bei PPARG nicht, welche Menge Fett und welches Fett nun gut und förderlich wäre, und welche nicht…

ADRB2: ca. 700g mehr zit. nach einem Anbieter

ADRB3: höheres Risiko für ÜG zit. nach einem Anbieter

APOA2: +/- 6kg zit. nach einem Anbieter

APOA5: „schwieriger“ den Gewichtsverlust herbeizuführen zit. nach einem Anbieter

FTO: +1,04 BMI Punkte, bis zu 8kg Unterschied zit. nach einem Anbieter. Personen die eine “schlechte Ausprägung” dieses FTO haben, wiegen ca. 3 kg mehr und haben ein 1,67 fach höheres Risiko für Übergewicht verglichen mit Personen, die dieses FTO nicht haben. Diesem Gen wird die stärkste “Wirkung” zugesagt. Es wird als der stärkste Faktor bezeichnet, der die Wahrscheinlichkeit von Obesity/schwerem Übergewicht beeinflusst. Ihm wird nachgesagt, zu 22% der Fälle in der Population beizutragen. (Przeliorz-Pyszczek und Regulska-Ilow 2017) Daher ist das FTO auch in allen solchen Tests enthalten. Trotzdem gibt es keinen Konsensus darüber, welche Art der Ernährung nun optimal wäre. (Guasch-Ferré et al. 2018) Positiv wirkten sich lt. Untersuchungen Diäten reich an einfach- und mehrfach ungesättigten FS aus (Anmerkung: wie es in der in mehrfacher Hinsicht sinn- und wirkungsvollen mediterranen Diät empfohlen wird. Durch viele Studien gut belegt…). Low Fat war weniger erfolgreich. Eine andere Studie fand bei bestimmten FTO Varianten wiederum eine positive Auswirkung mit Low Fat, allerdings bei starkem kcal Defizit in Summe. Und wir wissen: ein starkes kcal Defizit funktioniert IMMER. Die Frage ist nur wie lange das Gewicht gehalten werden kann 😉) Weitere Anmerkung: Es gibt übrigens 19 Polymorphismen des FTO Gens… (Przeliorz-Pyszczek und Regulska-Ilow 2017)

Man nimmt weiters an, dass die Expression des FTO auf der Menge an zugeführten essentiellen Aminosäuren beruht. Wenn zu wenig Protein zugeführt wird, führt das zu einem Abbau von Magermasse, während die Fettmasse unberührt bleibt. (Przeliorz-Pyszczek und Regulska-Ilow 2017) Ja, es ist immens wichtig ausreichend und gutes Protein zuzuführen! Das ist durchaus belegt und bekannt.

Obwohl die Genetik bei Adipositas eine Rolle spielt, weisen (die) Autoren auch (in diesem Studienprotokoll) darauf hin, dass viele Faktoren zur aktuellen Adipositasepidemie beitragen. Dazu gehören nicht zuletzt der verminderte Energieverbrauch, die zu hohe Energieaufnahme, steigende Kosten für Ernährung, Umwelt- und soziale Faktoren. (Horne et al. 2019)

Drabsch und Holzapfel wiederum meinen nach einer sorgfältigen Analyse von 48!!! Arbeiten, dass, wenn man es ganz salopp formuliert, man sagen kann jede Diät funktioniert, wenn nur ein kcal Defizit stattfindet. Wenn man genauer hinschaut, zeigen sich aber wohl Unterschiede im Abnehmtempo, der (positiven) Entwicklung der Stoffwechselwerte, dem Gewicht halten, dem Verlust oder Erhalt der Magermasse. (Drabsch und Holzapfel 2019)

In einer anderen Studie wurden signifikante Wechselwirkungen gefunden die den Kohlenhydratkonsum mit Gewichtsreduktion und Insulinresistenz untersuchte: nach 6 Monaten hatten Personen mit einem bestimmten Genotyp einen größeren Abnehmerfolg trotz hohen Kohlenhydratanteils als andere Personen. In der Low Carb Diät Gruppe zeigte sich der Unterschied aber nicht signifikant. Nach 2 Jahren hatten alle Personen wieder zugenommen und der Effekt sich abgeschwächt… (Qui 2014) Es ist also wirklich nicht so leicht, hier entsprechende Ernährungsempfehlungen abzuleiten!

In einer anderen Untersuchung wurde ein Genotyp identifiziert, der einen signifikant größeren Gewichtsverlust hat wenn die Diät sehr ballaststoffreich ist. Eine weitere Studie fand Wechselwirkungen zwischen dem Konsum von “sugar sweetened beverages” (SSB) und der genetischen Anfälligkeit für Adipositas – also wenn die genetische Anfälligkeit besteht, dann ist das Risiko dass sich SSB schlecht auswirken noch größer (frei und vereinfacht dargestellt). (Qui 2014)

No Na 😉! Viele dieser Studien bestätigen also (glücklicherweise) das Offensichtliche. Immer wieder wird in verschiedenen Medien kritisiert, „dazu brauch ma ka Studie, des sagt der Hausverstand (siehe mein eigenes No Na 😉“ – aber das ist eben Wissenschaft. Wir brauchen das! Und dann gibt es ja immer wieder Leute, die glauben ohne Studie und „Beweise“ gar nichts. 😉

Grundsätzlich war die Idee hinter diesen Gentests (Direct-to-consumer genetic testing (DTC-GT)) -zumindest ursprünglich – die Annahme dass Personen, wenn sie ihre genetischen Hintergrund kennen, eher bereit sein werden, ihr Verhalten und ihre Ernährung entsprechend zu ändern. Die Ergebnisse diesbezüglich sind allerdings widersprüchlich. (Guasch-Ferré et al. 2018) Eine derzeit laufende Untersuchung (Horne et al. 2019) hat (daher) folgende Ziele:

A – Hauptziel: Ob die Bereitstellung von Lifestyle Ratschlägen basierend auf Genanalysen den Körperfettanteil stärker reduziert, als übliche Lifestyle Ratschläge. B – Nebenziel: Ob die Bereitstellung von Lifestyle Ratschlägen basierend auf Genanalysen a) Menschen zu positiven Änderungen motiviert hinsichtlich Ernährung und Diät, b) zu stärkeren Verbesserungen bei anthropometrischen Parametern führt (BMI, Gewicht, Magermasse, Fettmasse) und c) Einstellungen, subjektive Normen, Verhaltenskontrolle und Intention zu Lebensstilveränderungen beeinflusst werden. Die Studie wird voraussichtlich im Februar 2020 beendet.

Puhhhh. Also ich sags euch… Es gibt also laut Studien schon Hinweise auf diese und jene Mechanismen, aber was man daraus ableiten kann und ob das wirklich und nachhaltig hilft/zutrifft ist also wieder eine ganz andere Geschichte. Daher wechsele ich jetzt mal zu meinen bisherigen Erfahrungen mit solchen Analysen:

  1. Ich habe den Patienten schon vorher die für sie passende Ernährungsweise empfohlen (Yess! Because this is my job! 😉
  2. Die Darstellung der Auswertung ist teilweise sehr kompliziert und die PatientInnen haben durchaus Schwierigkeiten damit, das zu durchschauen und korrekt umzusetzen. Da kann man sich schon lustige und bedenkliche Sachen rauspicken…
  3. Die Auswertung ist häufig banal, im Sinne von „iss weniger zuckerhaltige Lebensmittel“.
  4. Die Auswertung ist verwirrend und widersprüchlich, im Sinne von „Weißwein ist für dich super, Whiskey nicht“ (??? Na dann trink ich halt mehr Weißwein 😉). Fish and Chips sind okay, Fischstäbchen nicht. In den Rezepten werden auch mal frittierte Calamari mit Mayonnaisedip empfohlen aber ein Mayonnaisedressing geht gar nicht. Überhaupt ist zuviel Fett ja ganz böse daher werden gleich mal auch alle Nüsse und Samen verboten. Hm. Hauptsache Fisch and Chips geht… Ach ja und Cornflakes mit Milch und Zucker haben auch das absolute “go for it” – egal wie die Gene liegen, das empfehle ich sowas von fix nicht als “go for it”… Also geht es nur mir so oder klingt das nicht alles etwas seltsam??? Das alles stammt übrigens aus 1 Test. Nicht aus 5 verschiedenen.
  5. Die Auswertungen bzw. die darauf beruhenden Empfehlungen sind durchaus widersprüchlich. Man könnte zB ein Typ sein, der Kohlenhydrate „schlecht verstoffwechselt“ und davon leicht zunimmt, trotzdem werden 50% KH empfohlen… Und nicht immer unbedingt die mit niedrigem glykämischen Index… das ist in meinen Augen nicht korrekt. Das kommt auch bei Personen vor, die bereits ein Problem mit dem Zuckerstoffwechsel haben/prädiabetisch sind. In meinen Augen ist das nicht in Ordnung.
  6. Die Auswertung ist unter Umständen überfordernd für die Patienten, da liegt jetzt ein 250 Seiten Kompendium und die Motivation ist gleich mal dahin… Sogar ich würde nach 10 Seiten am Liebsten frustriert das Handtuch werfen.
  7. Die „Anleitungen“ sind ohne fachliche Information, sprich die Beratung schwer verständlich, beispielsweise soll eine Person, weil sie Fett nicht so gut „verstoffwechselt“ nur wenig Fett zu sich nehmen. Daher sind ALLE Fettquellen, jedes auch noch so gesunde Öl und Streichfett dick und rot markiert und sollen nicht oder nur selten gegessen werden. Umgekehrt darf aber Wurst schon sein… (???) Naaaaja, da habe ich als Diätologin aber schon noch ein Wörtchen… 😉
  8. Die darauf folgende Ernährungsberatung, wenn es denn eine gibt, gestaltet sich definitiv schwieriger/komplizierter, weil „ich darf das ja nicht essen weil der Test hat gesagt…“
  9. Praktischerweise verkaufen viele dieser Anbieter dann auch noch den „genetisch“ richtigen Nährstoffcocktail aus Mikronährstoffen dazu, oder Shakemahlzeiten. Im Vrrgleich zu anderen qualitativ hochwertigen Anbietern auch noch massiv teurer. Das halte ich wirklich für bedenklich. Diesbezüglich verlasse ich mich lieber auf Laborbefunde und die Kommunikation mit dem Arzt.

In einigen der von mir gesichteten Studien ist davon die Rede, dass es derzeit eine “one-size-fits-all” Strategie gäbe, was die Ernährungsempfehlungen betrifft. ZB in (Qi 2014). Das mag sein, aber wenn ich mir nun die standardisierten und nach den genetischen Markern mittels Computerprogramm generierten Ernährungsempfehlungen ansehe (und irgendwie erinnert mich das auch an die unseriösen Metabolic Balance Testungen), dann ist das auch nicht sehr individuell und ebenso ungenau und oft unrealistisch, wie die erwähnten Ernährungsempfehlungen. Als Diätologin kann ich von mir behaupten, dass ich mit und für meine KundInnen ein stark individualisiertes Programm entwerfe, das auch immer wieder angepasst und verbessert wird im Laufe der Ernährungstherapie. Denn der Stoffwechsel verändert sich, der Körper verändert sich, ja, auch die Psyche verändert sich! Also das Gegenteil von “one-size-fits-all”…

Was weiters zu bedenken ist:

Eine Herausforderung stellt dar, in welcher Form die Ergebnisse an den Konsumenten weitergegeben werden, was kann der Konsument verstehen, sich herausziehen, wie interpretiert er es. Zudem kommen noch die Themen die den Datenschutz betreffen. (Guasch-Ferré et al. 2018)

Man weiß zudem schon sehr lange, dass die größte Schwierigkeit darin besteht, das neue Gewicht zu halten, nachdem man es abgebaut hat. Viele nehmen nach der jeweiligen Intervention einfach wieder zu. Die Gründe reichen von der physiologischen Adaption die den Körper “dazu bringt” wieder zuzulegen, der Veränderte Grundumsatz, Metabolismus bis zur Hormonsituation (Appetitregulation). Eine besondere Herausforderung ist auch die obesogene Umwelt. (Qui 2014)

Die Regulation des Körpergewichtes ist eine komplizierte Angelegenheit in der viele Faktoren mitspielen. Klassischerweise ist da einmal die Energieaufnahme über die Nahrung und der Energieverbrauch über die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen und der Verbrauch über die Bewegung. Also Grundumsatz und Leistungs/Arbeitsumsatz. Dazu kommen verschiedene physiologische Parameter, die Hormone, unsere Psyche, das zentrale Nervensystem, Hunger- und Sättigungssignale die wiederum von der Art der Nahrung und der Verdauung abhängen und nicht zuletzt eine ganze Batterie an Lifestyle-Faktoren. (Drabsch und Holzapfel 2019)

Was daher immer noch gilt: Wenn ich Gewicht reduzieren will, und das neue Gewicht auch halten will, müssen mehrere Faktoren zusammenpassen und bedacht werden!

  1. Die Motivation – woher kommt diese? Aus mir heraus oder von „außen“? Und ist dieses Warum auch stark genug?
  2. Wie bereit bin ich Aufwand zu investieren, Abläufe zu verändern und adaptieren, zu lernen?
  3. Die kcal Aufnahme und der kcal Verbrauch – ohne ein zumindest kleines Defizit, geht es in der Regel nicht.
  4. Woher die kcal stammen (a calorie is not a calorie 😉) und ob ich gut mit zB Eiweiß und Mikronährstoffen versorgt bin.
  5. Den Einsatz der verschiedenen Lebensmittel so, dass für mich die optimale Sättigung und Zufriedenheit gewährleistet ist, und ich dranbleiben kann. Der Genuss!
  6. Mein Bewegungslevel – und ob und wie sehr meine Muskeln gefordert sind.
  7. Die Umgebung – mein Alltag.
  8. Meine Psyche.
  9. Wie ist die körperliche Ausgangssituation.
  10. Etc.

Bisher hat es super funktioniert, wenn obige Faktoren stimmen, ganz ohne (unter Umständen sehr kostspielige) Genanalyse. Klar, der Ansatz, „mit Analyse geht’s noch besser und wirkungsvoller“ hat schon was und wird vielleicht auch für Einige stimmen. Umgekehrt, wenn obige Punkte nicht beachtet und „behandelt“ werden, dann hilft die Genanalyse auch nichts und ich kann mir das Geld sparen.

Mein Fazit daher: Wer mag und es sich leisten kann, kann solche Genanalysen in Anspruch nehmen. Ich denke schon, dass da viel Potential drin steckt und sich mit dem Fortschreiten der Wissenschaft hier immens wichtige und tolle Entwicklungen ergeben, es ist eine spannende Materie…

Bei manchen ist das vielleicht sogar der richtige Motivationskick und eine Bestätigung dessen, was man eh schon weiß oder von der Beraterin gehört hat. Ich empfehle jedoch unbedingt die Ergebnisse in den Kontext zu setzen und sich Unterstützung bei der sinnvollen Übersetzung (und Umsetzung) in den Alltag zu holen. Ich bin also nicht grundsätzlich dagegen, aber ich kann es definitiv nicht uneingeschränkt empfehlen, denn mir ist die Aussagekraft und Praktibilität zumindest derzeit noch zu unsicher und unstimmig. Für mich hat es einfach noch zu sehr den Geruch der schlichten Geschäftemacherei.

Ich hoffe der Artikel hat dir ein paar Anhaltspunkte geliefert und dir Spaß gemacht! Wenn DU so einen (oder einen anderen) Test gemacht hast oder machen willst, und dann eine Begleitung für das „danach“ suchst 😊 stehe ich dir sehr gerne zur Verfügung, damit du das Beste aus den Ergebnissen herausholen kannst! In diesem Sinne:

Hier habe ich noch ein paar Links zu anderen Artikeln:

  • https://paleolowcarb.de/dna-analysen-sind-sie-das-geld-wert/?highlight=gentest
  • https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/schlankheitsmittel-und-diaeten/stoffwechseldiaeten-6555
  • https://www.laborjournal.de/editorials/1585.php
  • https://www.ugb.de/ernaehrungsberatung/nutrigenomik/
  • https://taegerfitness.de/gentests/

Alles Liebe, Eure Diätologin 🙂

Bilder: Fotolia

Literatur/gesichtete Studien:

Die Studien wurden gefunden mittels der medizinischen Datenbank Pubmed, den Schlagworten obesity, genetic testing, diet (zB) und den Filtern humans, 5 years, free fulltext, review.

Drabsch, Theresa; Holzapfel, Christina (2019): A Scientific Perspective of Personalised Gene-Based Dietary Recommendations for Weight Management. In: Nutrients 11 (3). DOI: 10.3390/nu11030617.

Gardner, Christopher D.; Trepanowski, John F.; Del Gobbo, Liana C.; Hauser, Michelle E.; Rigdon, Joseph; Ioannidis, John P. A. et al. (2018): Effect of Low-Fat vs Low-Carbohydrate Diet on 12-Month Weight Loss in Overweight Adults and the Association With Genotype Pattern or Insulin Secretion: The DIETFITS Randomized Clinical Trial. In: JAMA 319 (7), S. 667–679. DOI: 10.1001/jama.2018.0245.

Guasch-Ferré, Marta; Dashti, Hassan S.; Merino, Jordi (2018): Nutritional Genomics and Direct-to-Consumer Genetic Testing: An Overview. In: Advances in nutrition (Bethesda, Md.) 9 (2), S. 128–135. DOI: 10.1093/advances/nmy001.

Horne, Justine; Gilliland, Jason; O’Connor, Colleen; Seabrook, Jamie; Hannaberg, Peter; Madill, Janet (2019): Study protocol of a pragmatic randomized controlled trial incorporated into the Group Lifestyle Balance™ program: the nutrigenomics, overweight/obesity and weight management trial (the NOW trial). In: BMC public health 19 (1), S. 310. DOI: 10.1186/s12889-019-6621-8.

Kussmann, Martin; Krause, Lutz; Siffert, Winfried (2010): Nutrigenomics: where are we with genetic and epigenetic markers for disposition and susceptibility? In: Nutrition reviews 68 Suppl 1, S38-47. DOI: 10.1111/j.1753-4887.2010.00326.x.

Przeliorz-Pyszczek, Anna; Regulska-Ilow, Bożena (2017): The role of macronutrient intake in reducing the risk of obesity and overweight among carriers of different polymorphisms of FTO gene. A review. In: Roczniki Panstwowego Zakladu Higieny 68 (1), S. 5–13.

Qi, Lu (2014): Gene-diet interaction and weight loss. In: Current opinion in lipidology 25 (1), S. 27–34. DOI: 10.1097/MOL.0000000000000037.